Disruption passiert, wenn es nichts mehr nützt, das Geschäftsmodell zu optimieren und kräftig zu sparen. Gegen Disruption hilft nur ein Systemwechsel. Und der passiert ganz oder gar nicht.
Was wäre, wenn der Liter Benzin ab morgen drei Euro kosten würde? Tendenz steigend? Weil es am Persischen Golf immer heftiger brodelt. Oder weil die Politik das so will. Spätestens nach der ersten Tankrechnung über 174,89 Euro käme alles rund um meine motorisierte Fortbewegung auf den Prüfstand: Welche Fahrten sind entbehrlich? Wann kann ich jemanden mitnehmen oder bei meinen Nachbarn oder Kollegen mitfahren? Ich würde eine Mitfahr-App nutzen. Ich würde ausrechnen, welche Bahncard sich für mich lohnt. Nicht auszuschließen, dass ich auf ein sparsameres Auto umsteigen würde. Womöglich Carsharing nutzen und ein E-Bike fahren würde. Da käme einiges in Gang. Technisch gesprochen: Ich würde an viele Schräubchen drehen, um mein Mobilitätssystem optimieren. Womöglich hätte ich nach dem Umstellungsschmerz sogar mehr Geld in der Tasche und wäre fitter. Aber Knecht des Benzinpreises wäre ich noch immer.
Alternative oder neues System?
Aber was, wenn der Sprit über Nacht nicht das Doppelte, sondern das Zwanzigfache kosten würde? Pro Tankfüllung wäre also in etwa eine Monatsmiete fällig. Sparsamer fahren? Fahrgemeinschaften? Carsharing? Alles keine Alternativen. Selbst Busse und Bahnen verkehrten zu ganz anderen Konditionen. Sparen oder Optimieren wäre keine Optionen mehr. Anpassen oder Aussteigen hieße es dann. Anpassen würde bedeuten, ein System zu erschaffen, das unter den geänderten Rahmenbedingungen funktioniert. Wohnen, arbeiten, einkaufen, reisen: Alles wäre unter neuen Voraussetzungen neu zu regeln. Kein Drehen an Schräubchen. Kein Nachjustieren. Stattdessen bliebe innerhalb von Wochen kein Stein auf dem anderen. Alles auf Anfang. Und das sehr schnell, denn der zentrale Faktor „Transportkosten“ kostete mich die Existenz, wenn ich mich allmählich an Einsparungen herantastete.
Transformation schützt vor Disruption
Die Über-Nacht-alles-anders-Szenarien sind als Disruptionen bekannt. Schlagartige Wechsel der Politik, einer Technologie oder des Kundenverhaltens zerstören Geschäftsmodelle. Es sei denn, die Geschäftsmodelle passen sich den neuen Verhältnissen geschmeidig an. Was etwas grundlegend anderes ist, als das Bestehene zu optimieren. Also nicht hier ein bisschen mehr Cost-cutting, dort ein bisschen mehr Effizienz. Hier ein paar mehr Überstunden, dort ein paar weniger kostspielige Geschäftsreisen. Das nützt so wenig, wie eine sparsame Fahrweise bei explodierenden Spritpreisen. Das Unternehmen braucht eine neue Form, die es erlaubt, unter dramatisch veränderten Umständen profitabel zu arbeiten. Fast immer steht dem die hierarchische Organisationsform im Weg. Zu sehr bremst sie Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und wertschöpfungsgetriebene Vernetzung. Zu schweigen von den langsamen Entscheidungsprozessen und Informationsflüssen.

Würde sich der Benzinpreis über Nacht verzwanzigfachen, stünde für Autofahrer ein Systemwechsel an. Sparsamer fahren oder Fahrgemeinschaften wären keine Option mehr.
So sehr das einleuchtet, so sehr verhindert genau dies die meisten Unternehmens-Transformationen. Weil es Anstrengung und Angst bedeutet, alte Strukturen aufzulösen und Macht aufzugeben. Hinzu kommt, dass eine wirklich flexible Organisation kaum präzise zu beschreiben ist. „Netzwerk“ oder „Team of Teams“ sind verbreitete Bilder dafür. Die Ausprägungen sind so verschieden, wie die Branchen, Unternehmen und die Menschen, die sie formen. Wer den Weg dorthin beschreitet, muss darauf vertrauen, dass sie sich herausbilden, wenn ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird. Das Definieren von Kernprozessen und deren ständige Verbesserung, sowie ein Cockpit mit sinnvollen Kennzahlen verhindern das Operieren im Ungefähren.
Nur anders wird es besser
„Ich weiss nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll“, hat der Naturforscher und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg einmal gesagt. Dies ist in etwa die Haltung, aus der heraus der Systemwechsel beginnt. Hin zu einer Organisation, die sich Störungen und wechselnden Marktbedingungen anpassen kann. Wenn vor dem „anders“ ein „ganz“ und nicht „ein bisschen“ steht, dann stehen die Chancen gut, dass die Transformation gelingt.
Welche Disruption bedroht Ihr Geschäftsmodell? Und wie könnte Ihr Unternehmen anpassungsfähig werden, bevor die Zahlen bröckeln? Lassen Sie uns darüber sprechen!