Im Entwicklungsstadium ihrer höchsten Effizienz sind Unternehmen am verletzlichsten. Störungen von außen können sie nicht mehr durch Anpassung ausgleichen. Das ist gefährlich. Die VUCA-Welt erfordert robuste und flexible Organisationen. Anders gesagt: Schlauchboote statt Rennboote. Transformation bedeutet, das Gefährt umzubauen. Wobei es weniger um das Material geht, als darum, den Ruderern endlich Sichtkontakt untereinander und auf die Strecke zu ermöglichen.
Manager lieben das Tunwort „steuern“ noch mehr als Beamte die „Durchführung“. Sie kennen Position und das Ziel, bestimmen die beste Route und halten das Unternehmensboot auf Kurs. Wo Wellen, Wind und Strömung zu Abweichungen führen, steuern sie dagegen.
Damit das leichter geht, haben sie die plumpen Unternehmenskähne vergangener Jahrzehnte zu schlanken Rennbooten umgebaut. Die bestehen aus wenig und leichtem Material, sind schnittig und werden von Profis in Bewegung gehalten: Aufs Rudern spezialisierte Ruderer und aufs Steuern spezialisierte Steuerleute. Effizienz pur.
Wenn Fluss oder See sich so verhalten, wie sie sich immer verhalten haben, ist so ein Unternehmens-Rennboot der Schlüssel zu Wachstum und Profit.

Effizienz und Spezialisierung garantieren den Erfolg beim Rudern. Aber: Nur die Steuerfrau hat Sicht auf die Strecke; die Rudererinnen können sich zugunsten ihrer Leistungsfähigkeit kein eigenes Bild machen. Kommandos bestimmen Kurs und Schlagzahl. Störungen, wie starke Wellen, Strudel, Untiefen und Wasserfälle dürfen nicht vorkommen.
Wellen,Untiefen, Wasserfälle
Doch nichts ist mehr, wie es immer war. Die einst ruhigen Gewässer rauen auf. Übersichtliche und kalkulierbare Märkte sind in der Hyperkomplexität global vernetzter Systeme sprunghaft und unberechenbar geworden. Die Unternehmens-Boote kämpfen mit unvorhersehbaren Wellen, Strudeln, Untiefen und Wasserfällen.
Das Internet vernetzt mittlerweile Milliarden Menschen. Sie vergleichen Reise- und Jobangebote, Produkte und Preise. Sie kommentieren, protestieren und agitieren. Auf dem Markt der Güter sorgt das für Transparenz, Preisdruck und zu plötzlichen Turbulenzen.
Wo viele Menschen stark vernetzt und hoch aktiv sind, entstehen nichtlineare Effekte, die je nach Position im Netzwerk als Welle, Explosion, Überraschung oder völliges Umschlagen der bisherigen Richtung wahrgenommen wird.
Die Blitzkarriere des Begriffe „Disruption“ verdankt sich diesem Phänomen. In dieser Welt kann selbst eine Rekordbilanz die letzte vor der Insolvenz sein.
Das Rennboot wird zur Falle
Herkömmliche Denkweisen, Methoden und Instrumente werden diesen Phänomenen nicht mehr gerecht. Statt in linearen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen müssen Führungskräfte lernen, sich in komplexen Systeme mit nichlinearen Effekten zurechtzufinden.
Das Rennboot wird jetzt zur Falle. Weil die Ruderer mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen und nur Ruderspezialisten sind, ist der Steuermann mit seiner Überforderung alleine. Er kann seine Entscheidungen nicht mehr mit überlegenem Wissen oder einem Informationsvorsprung begründen.
Im Wildwasser kommt man probierend und fühlend besser voran als berechnend. Und vor allem mit der Intelligenz und Erfahrung aller. Welche Maßnahme in Wind, Welllen und Strömung jeweils erfolgsversprechend ist, finden viele Menschen eher heraus als ein einzelner.
Lineares Optimieren auf bekannte Herausforderungen hin bringt ein Unternehmen im Wildwasser nicht mehr weiter. Wer glaubt, er könne ein leichtes Ruderboot mit seiner spezialisierten Form und seiner auf Effizienz getrimmten Mannschaft durch einen Wildbach steuern, scheitert schnell an der chaotischen Dynamik des Wassers. Anders gesagt: Er schrammt den Felsen oder kentert.
Von einem Rennruderboot ist nach einem solchen Unfall nichts mehr zu gebrauchen. Die Robustheit war längst der Effizienz geopfert worden. Die Fahrt ist zuende.
Es ist Zeit, vom hochgezüchteten Rennruderboot ins robuste Schlauchboot umzusteigen. Auch wenn es Effizienzverluste bringt. Es zählt jetzt mehr, durchzukommen, als schnell in die Stromschnelle zu fahren. Ein Boot, das Wellen und Steinen trotzt, braucht mehr und stabileres Material. Und es braucht vielseitige Ruderer.
Spezialisten führen temporär
Wenn die gesamte Mannschaft auf die Strecke blicken und miteinander kommunizieren kann, bewältigt sie auch tückische Gewässer. Einmal übernimmt der Spezialist für Wellen das Kommando, weiter flussabwärts der für Wasserfälle. Wer hinten links paddeln kann, kriegt das auch vorne rechts hin.
Gegen gelegentliches Kentern ist auch dieses Boot nicht gefeit. Im Gegensatz zum effizienten aber sensiblen Rennruderboot bleiben Menschen und Untersatz dabei aber unbeschädigt. Die Fahrt kann - angepasst an die neuen Verhältnisse - weitergehen.



Resilienz, Robustheit und Vernetzung garantieren den Erfolg beim Wildwasser-Rafting. Alle Ruderer haben Sicht auf die Strecke; Absprachen und gemeiname Zielorientierung bestimmen Kurs und Schlagzahl. Starke Wellen, Strudel, Untiefen und Wasserfälle sind willkommen.
Zum Thema "Führen in turbulenten Zeiten" habe ich mit Ulrich Lohmann einen längeren Beitrag geschrieben. Er basiert auf einem Vortrag Ulrich Lohmanns auf der Weiterdenkertagung 2019 der Hochschule Ravensburg Weingarten. Veröffentlicht wurde er als Working Paper No 9 .
Welche Gewässer liegen vor Ihnen? Wie sieht Ihr ideales Unternehmen-Boot aus? Und wie bekommen Sie es gebaut?
Lassen Sie uns darüber sprechen. Unverbindlich. Am besten bei Ihnen am Steuer. Schlagen Sie uns einfach einen Termin vor.